Wir dokumentieren hier einen Antrag von Studierenden aus dem Akademischen Senat der Universität Hamburg. Dieser Antrag wurde am 10. Juni 2021 einstimmig angenommen.
Die Lage
Nach Auskunft der Bundesregierung (Drs. 19/27151) gibt es keine eindeutigen Erhebungen darüber, wie viele Studierende aus dem Ausland ihr Studium in Deutschland nicht aufnehmen konnten, weil sie durch die Pandemiekrise daran gehindert wurden. Erhoben sei vom Statistischen Bundesamt bisher nur, dass die Zahl der ausländischen Studierenden im Sommersemester 2020 gegenüber dem Vorjahr um 21 Prozent auf 99.400 zurückging (Stand: März 2021).
Der Hamburger Senat hat in Antworten auf Schriftliche Kleine Anfragen (Drs. 22/2469 und 22/4332) in Bezug auf die Universität Hamburg folgende Auskünfte über Studierende der UHH gegeben, die pandemiebedingt nicht einreisen konnten:
SoSe 20: keine Angaben
WiSe 20/21: 500
SoSe 21: 52 [laut „Meldeadresse“ (vermutlich in STiNE) sowie eine niedrige zweistellige Zahl, von der man aus Beratungskontakten wisse].
Dabei ist aus den Antworten des Senats erkennbar, dass diese Zahlen bisher nicht systematisch erhoben werden. Zugleich ist bekannt, dass in vielen Ländern die Auslandsvertretungen für die Visaerteilung über ein Jahr geschlossen waren und es einen erheblichen Termin-Stau gibt bzw. die Vertretungen weiterhin nur im eingeschränkten Betrieb arbeiten.
Es ist anzunehmen, dass auch jetzt mindestens ein Fünftel – wenn nicht deutlich mehr – internationale Studierende an der Einreise nach Deutschland gehindert sind. Wir bitten das Präsidium zu veranlassen, dass diese Zahlen durch schriftliche Kontaktaufnahme mit den internationalen Studierenden verbindlich ermittelt werden. Es ist bekannt, dass mindestens aus folgenden Ländern die Einreise derzeit enorm verzögert wird bzw. nicht stattfinden kann: Ägypten, Brasilien, Bangladesch, Indien, Pakistan, Iran, Georgien, Ghana, Nigeria, Peru, Trinidad Tobago.
Die betreffenden Studierenden haben im Fernstudium jetzt bis zu drei Semester an unserer Universität studiert. Aus der Verzögerung der Einreise (und der Wirtschaftskrise) resultieren finanzielle Probleme, die jetzt die Einreise und ein erfolgreiches Studium zu verhindern drohen.
Die Probleme sind:
1. Viele Währungen sind im Verhältnis zum Euro dramatisch niedrig und im letzten Jahr stark gefallen;
2. die Studierenden und ihre Angehörigen haben ihre Einkünfte ganz oder teilweise verloren;
3. bereits gebuchte Flugtickets sind teilweise nicht rückerstattet worden; zugleich sind die Tickets erheblich teurer als noch vor einem Jahr;
4. jeder neue Visum-Antrag kostet mindestens € 75,-
5. aufgrund des Digitalstudiums (in einer Fremdsprache und mit Zeitverschiebung) verschlechtern sich die Noten; so Stipendien vorhanden sind, gehen diese verloren;
6. die Studierenden haben bis zu drei Mal den vollen Semesterbeitrag (je € 332,-) gezahlt – weitgehend ohne Gegenleistung;
7. sofern die Studierenden einen Wohnheimplatz erhalten haben und hoffen, sehr bald ein Visum zu erhalten, verlangt das Studierendenwerk die volle Miete, wenn das Zimmer erhalten bleiben soll. Die Studierenden müssen für die Visa-Erteilung einen „Finanzierungsnachweis“ erbringen. Dafür müssen sie monatliche Einkünfte von € 861,- für ein Jahr (BAföG-Höchstsatz), also €10.332 nachweisen.
Dies erfolgt in der Regel durch
a) 10.332€ auf einem Sperrkonto
b) eine Verpflichtungserklärung („Bürgschaft“) von Angehörigen oder
c) durch ein Stipendium in mindestens o.g. Volumen.
Dieser Finanzierungsnachweis ist nun für eine relevante Zahl der internationalen Studierenden der Uni Hamburg zusammengebrochen. Die Voraussetzungen für eine Einreise und damit für ein gelingendes Studium ab dem WiSe 21/22 bestehen nicht mehr.
Der Beschluss:
Eine soziale und hochschulische Förderung der internationalen Studierenden, die ihr Studium vom Ausland aus beginnen mussten, ist zwingend geboten. Die Internationalität der Universität, die sie als Beitrag zu Verständigung, Gerechtigkeit und Frieden im Sinne der Sustainable Development Goals wahrnehmen will, erfordert internationale Studierende. Internationalität ist eine gemeinsame institutionelle Aufgabe und liegt nicht in der „Eigenverantwortung“ der Studierenden.
Der Akademische Senat bittet das Präsidium, die Lage der internationalen Studierenden auf allen Ebenen der Hochschulpolitik und in der Universität zur Sprache zu bringen und für in jeder Hinsicht faire Nachteilsausgleiche zu wirken.
Insbesondere möge das Präsidium in der Hochschulrektorenkonferenz sowie gegenüber der KMK und den zuständigen Bundesministerien dafür wirken, dass die sofortige Bearbeitung von Visa-Anträgen immatrikulierter Studierenden durchgesetzt wird.
Der Akademische Senat fordert die BWFGB auf, einen Fonds für Hamburgs internationale Studierende einzurichten, aus dem leistungsunabhängig eine bedarfsdeckende Förderung (s. BAföG) für mindestens zwei Semester unbürokratisch ausgezahlt werden kann.
Der Akademische Senat bittet die BWFGB auf, die Gesamtsumme für Leistungs- und Examensstipendien für internationale Studierende erheblich zu erhöhen.
Antragsteller:innen waren die studentischen Vertreter:innen Golnar Sepehrnia, Olaf Walther, Armin Günther und Svenja Horn