Diskussionsveranstaltung am Dienstag, den 2. Mai 2023 um 18 Uhr c.t.

Universität Hamburg, Von‐Melle‐Park 8; Anna‐Siemsen‐Hörsaal

Mit Faysal Sarıyıldız. Er war Abgeordneter der HDP für die Provinz Şırnak, der im Dreiländereck Türkei, Syrien und Irak liegt. Er saß fünf Jahre im Gefängnis und lebt jetzt im Exil in Köln. Er hat u.a. mit anderen zusammen eine Strafanzeige gegen Erdogan beim Bundesgerichtshof wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlich‐ keit gestellt und setzt sich couragiert für Minderheitenrechte und Gleichberechtigung ein.

Am 14. Mai wird in der Türkei das Parlament und der Präsident neu gewählt. Die Wahlen wurden von Staats- präsident Erdogan aus taktischen Gründen um einen Monat vorgezogen; nach dem furchtbaren Erdbeben im Februar ist das ein Versuch, das Chaos in den kurdischen Gebieten zum Vorteil der Regierungspartei AKP zu nut- zen. Dabei scheinen die Tage der reaktionären, neolibe- ralen, islamistischen AKP-Partei und des Präsidenten Erdogans nach 20 Jahren an der Macht gezählt. Sie hat- ten Wohlstand für alle versprochen und stattdessen eine tiefe ökonomische Krise, Inflation und Massenarmut ge- schaffen. Gleichzeitig wurde der Krieg gegen die Kur- den verschärft und völkerrechtswidrig nach Syrien aus- geweitet. Alle, die das kritisieren oder sich für Frieden einsetzen, werden als „Terroristen“ verfolgt. Doch die Politik mit der Angst und die erzkonservative Kulturpo- litik vermochten keine brave, fromme Bevölkerung zu formen. Im Gegenteil: Wechsel liegt in der Luft.

Um Erdogan abzulösen, tritt ein „Bündnis der Nation“ von der sozialdemokratischen, kemalistischen CHP bis zur konservativen, nationalistischen Iyi-Partei an. Sie kündigen an, „die Türkei zu Wohlstand, Frieden und Freude zu bringen“.

Die größte linke Oppositionspartei ist die HDP (Demo- kratische Partei der Völker). Ihr gelangt es, 2018 die un- demokratische 10%-Hürde zu überspringen und dritt- stärkste Fraktion im Parlament zu werden – gegen hef- tige Repressionen. Sie stellen BürgermeisterInnen in vielen überwiegend kurdischen Städten, wovon über die Hälfte in politischen Prozessen des Amtes enthoben wurden. Auch zahlreiche Abgeordnete der HDP in der Nationalversammlung wurden festgenommen und mit der Behauptung der „PKK-Nähe“ verurteilt. Die Partei ist ein Bündnis aus progressiven kurdischen Parteien und AktivistInnen aus der Gewerkschafts-, Frauen-, Ho- mosexuellen- und Umweltbewegung sowie

V ertreter:innen religiöser und kultureller Minderheiten mit sozialistischem Programm. Da davon auszugehen ist, dass sie vor den Wahlen verboten wird, treten ihre KandidatInnen auf den Listen der Grünen Linkspartei (YSP) an und für „ein ökologisches Leben, in dem die kurdische Frage demokratisch gelöst wird, in dem Frauen nicht der Gewalt ausgesetzt sind, in dem junge Menschen eine Zukunft haben, in dem Völker und Über- zeugungen frei leben können, in dem die Ausbeutung der Arbeit ein Ende hat“ ein.

Gelingt ein demokra- tischer und ziviler Aufbruch in der Tür- kei? Kommen die Menschen, die sich für ein Ende der Kriege und für sozi- ale Gerechtigkeit ein- setzen, zu ihrem Recht? Wie kann die kurdische Frage de- mokratisch gelöst und können Men- schenrechte für alle

gleich verwirklicht werden? Wie sind die Verhältnisse in der Türkei mit der EU und Deutschland verbunden? Welche Folgen hat ein progressiver Wandel in der Tür- kei für die gesamte Region und ihre fortschrittlichen Be- wegungen?

Diese Fragen interessieren uns, weil wir Internationa- list:innen sind und für Frieden und Menschenrechte in allen Ländern kämpfen. Auf unsere Aufmerksamkeit und Solidarität kommt es an.

Ihr seid eingeladen, mitzudiskutieren! Die V eranstal- tung findet auf Deutsch und Türkisch statt.